Ermittlungsverfahren – Ablauf eines Ermittlungsverfahrens
Was ist ein Ermittlungsverfahren?
Sofern Sie einer Straftat beschuldigt werden, wird ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Sie eingeleitet. Ab diesem Zeitpunkt sind Sie Beschuldigter einer Straftat. Die Staatsanwaltschaft ist dabei die sogenannten „Herrin des Verfahrens“. Die Polizei führt lediglich für die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aus. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind – teilweise auch während der Ermittlungen – wird der Vorgang der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Mitunter ist diesem ein Abschlussbericht des Polizeibeamten beigefügt, welcher die aus seiner Sicht bestehenden Ermittlungsergebnisse zusammenfasst und würdigt.
Wichtig zu wissen: Eine effektive Strafverteidigung beginnt bereits im Ermittlungsverfahren. Hier werden die Weichen gestellt. Ungünstig wäre es, zunächst einmal abzuwarten, ob der Vorgang an die Staatsanwaltschaft weitergegeben wird. Ermittlungsverfahren werden von der Polizei immer an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Alleine diese hat die Befugnis zu entscheiden, ob das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird. Es besteht die Gefahr von Rechtsnachteilen, wenn man im eigenen Ermittlungsverfahren lediglich „Zuschauer“ ist. Vielmehr muss bereits hier eine aktive Strafverteidigung beginnen.
Wieso ist die Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren wichtig?
Die Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren ist von höchster Bedeutung. Alleine aus der Ermittlungsakte ergeben sich sämtliche Zeugenaussagen sowie die zur Verfügung stehenden Beweismittel, jedenfalls soweit sie bereits bekannt sind. Das Akteneinsichtsrecht steht hierbei alleine dem Strafverteidiger zu. Dessen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht bezieht sich auf die Hauptakte, sämtliche Beiakten sowie etwaig vorhandene Beweismittelordner. Ausgehend vom Inhalt der Ermittlungsakte sowie unter Berücksichtigung der Sachverhaltsschilderung des eigenen Mandanten muss sodann eine effektive Verteidigungsstrategie entwickelt werden, welche bereits im Ermittlungsverfahren positiv für den Beschuldigten ist. Durch entsprechende Beweisanregungen und Beweisanträge kann der Strafverteidiger bereits frühzeitig zusätzliche Beweismittel benennen. Umgekehrt ist es ihm auch möglich, die bislang aus Sicht der Ermittlungsbehörden vorhandenen Beweismittel selbständig zu bewerten bzw. eine rechtliche Prüfung im Hinblick auf die formelle Rechtsmäßigkeit der bislang getroffenen Maßnahmen vorzunehmen.
Macht eine Aussage im Ermittlungsverfahren ohne Aktenkenntnis Sinn?
Aus Sicht des Strafverteidigers kann grundsätzlich nur davon abgeraten werden, ohne detaillierte Aktenkenntnis eine Aussage – quasi ins Blaue hinein – im Ermittlungsverfahren zu machen. Nur in ganz wenigen Fallkonstellationen mag es hierfür Argumente geben. In der Regel wird dies aber nicht der Fall sein. Dem Beschuldigten eines Strafverfahrens steht ein umfassendes Schweigerecht zu, auf welches er sich berufen kann, ohne dass hieraus nachteilige Schlüsse gezogen werden dürfen (vgl. § 136 StPO; Meyer-Goßner, § 261 Rn. 16). Werden im Ermittlungsverfahren bei der Aussage Fehler gemacht (etwa missverständliche Formulierungen, Verwechslungen, Ungenauigkeiten im Kerngeschehen, Fehlinterpretationen von Fragen, etc.), sind diese nur äußerst schwer und im schlimmsten Fall überhaupt nicht zu korrigieren. Es liegt im Übrigen nicht immer an den Antworten des Beschuldigten, die zu einer ungünstigen Vernehmung führen können. Teilweise kommt es auch vor, dass seitens der Polizeibeamten Fragen gestellt werden, auf welche es schlechterdings nur mit Schwierigkeiten eine sinnvolle Antwort gibt. Aufgrund der drohenden Konsequenzen eines Strafverfahrens sollte daher bereits im Ermittlungsverfahren dem „Prinzip des sichersten Weges“ gefolgt und zunächst umfassende Akteneinsicht genommen werden.
Wie endet das Ermittlungsverfahren?
Sind sämtliche Ermittlungen abgeschlossen, trifft die Staatsanwaltschaft eine Abschlussverfügung. Denkbar sind etwa eine Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts, eine Verfahrenserledigung gem. § 153 StPO bzw. § 153a StPO, die Verweisung auf den Privatklageweg gem. §§ 374, 376 StPO, die Beantragung eines Strafbefehls (Verurteilung im schriftlichen Verfahren) oder die Erhebung einer Anklage vor das Amtsgericht bzw. Landgericht. Es versteht sich von selbst, dass die Aufgabe im Rahmen der Strafverteidigung darin liegt, bereits auf staatsanwaltlicher Ebene für das bestmögliche Ergebnis zu kämpfen. Die Staatsanwaltschaft hat einen recht breiten Ermessensspielraum, welcher durch geschicktes Agieren des Strafverteidigers auch genutzt werden kann. Entscheidend hierfür ist im Übrigen nicht, ob der Strafverteidiger etwa mit dem Staatsanwalt persönlich bekannt ist. Es zählt vielmehr die Qualität der tatsächlichen und juristischen Argumente sowie der Nachdruck, mit welchem diese für den Mandanten vorgebracht werden.
Verteidigungsschrift im Ermittlungsverfahren: Was ist das?
Der Beschuldigte eines Strafverfahrens darf umfassend die Aussage verweigern. Negative Schlüsse dürfen hieraus nicht gezogen werden. Ob es allerdings im konkreten Einzelfall Sinn macht, während des gesamten Ermittlungsverfahrens sich auf das Schweigerecht zu berufen, sollte mit dem Strafverteidiger im Rahmen der Festlegung der Verteidigungsstrategie abgestimmt werden. Häufig ist es sinnvoll, im Nachgang zu der Erörterung des Inhalts der Ermittlungsakte eine Verteidigungsschrift für den Mandanten zu erstellen. Durch diese kann eine Sacheinlassung auf schriftlichem Weg erfolgen, ohne dass ein Vernehmungstermin abgehalten werden muss. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass keine überraschenden oder unliebsamen Nachfragen durch die Polizeibeamten gestellt werden können.